Die goldene Mitte der Freizeit: Warum zwischen 2 und 5 Stunden das Glück liegt

Glückliche Frau, die in einer Freizeit ein Buch liest
Photo by Amy Shamblen

Freizeit ist ein Luxus, den wir alle schätzen – oder? In ihrem Buch Die Dopamin-Nation: Balance finden im Zeitalter des Vergnügens erklärt Anna Lembke, warum weder zu wenig noch zu viel Freizeit uns guttut. Doch wie viel Freizeit ist für ein erfülltes Leben wirklich nötig?

Was ist mit Freizeit genau gemeint?

Unter Freizeit versteht Lembke die Zeit, in der wir nicht arbeiten, keine Haushaltsaufgaben erledigen oder anderen Verpflichtungen nachgehen. Es ist unsere ungestörte Zeit, die wir mit dem verbringen können, was uns Freude bereitet – oder eben auch nicht. Laut Lembke machen weniger als 2 und mehr als 5 Stunden Freizeit am Tag langfristig unglücklich.

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Deutlich weniger als 2 Stunden Freizeit pro Tag zur Verfügung haben oft berufstätige Eltern, mehr als 5 Stunden zum Beispiel Rentner, die keinerlei Erwerbstätigkeit ausüben.

Warum zu viel Freizeit unglücklich machen kann

Während die einen von endlosen Ferien träumen wissen die anderen nicht, was sie mit ihrem Tag anfangen sollen. Obwohl mehr Freizeit für viele intuitiv nach mehr Glück klingt, sieht es in der Realität oft anders aus (dabei kommt es natürlich auch auf die Art der Freizeitgestaltung an).

  1. Zu viel unstrukturierte Zeit kann uns das Gefühl von Ziellosigkeit und Langeweile geben. Wem es uns an einer Vision oder konkreten Aufgabe fehlt, fühlen wir uns sich schnell verloren, leben in den Tag hinein und laufen sogar Gefahr depressive Gedanken zu entwickeln.
  2. Wir müssen einen Sinn in dem sehen, was wir tun. Freizeitaktivitäten machen sicherlich Spaß, aber tragen sie dazu bei uns nützlich zu fühlen? Das kann selbst bei einem langweilig erscheinenden Bürojob anders aussehen, denn immerhin kommt man abends erschöpft nach Hause und ist zufrieden, den Tag hinter sich gebracht zu haben.
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Anders sieht es da schon bei ehrenamtlichen oder sozialem Engagement aus.
  1. Manche haben die Tendenz sich zu isolieren: Auch wenn es hier große Unterschiede gibt, der Mensch ist ein soziales Wesen. Zu viel Freizeit und mangelnde Struktur birgt die Gefahr, dass wir uns von sozialen Umfeldern und Beziehungen isolieren, weil wir uns in unsere eigene Welt flüchten, aus der wir nur schwer wieder herauskommen.
  2. Zu viel Freizeit kann zu Entscheidungsschwierigkeiten führen: Wenn wir ständig darüber nachdenken, wie wir unsere Zeit am besten nutzen können, kann dies einen lähmenden Effekt haben, bei der die Entscheidungsangst uns davon abhält, überhaupt aktiv zu werden, oder aber wir tausend Dinge anfangen, keins davon zu Ende bringen und uns deshalb schlecht fühlen.
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Und bei zu wenig Freizeit? Haben wir keine Zeit mehr für uns selbst, dann hat das langfristig meist erhebliche Konsequenzen für unsere psychische Gesundheit. Das Hetzen von einem Termin zum nächsten, und das Jonglieren zwischen beruflichen Verpflichtungen und persönlichen Bedürfnissen zehrt nicht nur an unserer Energie, wir verlieren außerdem den Kontakt zu dem, was uns wirklich am Herzen liegt, und das Gefühl der Erschöpfung wird zum ständigen Begleiter. Langfristig kann dies zu ernsthaften psychischen Problemen führen, wie Burnout, Depressionen oder Angstzuständen.

Freizeit und der Einfluss von Social Media

In einer Welt, in der der Bildschirm oft das erste und das letzte ist was wir vom Tag sehen, haben die Sozialen Medien einen festen Platz in unserer täglichen Routine gefunden. Und mit mehr Freizeit werden diese Plattformen schnell zur ersten Anlaufstelle, um sich mal eben die Zeit zu vertreiben. Je mehr Freizeit wir haben, desto verlockender wird es durch die Feeds von Instagram & co. zu scrollen. Dabei hat der Inhalt, dem wir ausgesetzt sind oft keinen positiven Einfluss auf unsere Produktivität.

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Laut Lembke führt die ausgedehnte Zeit auf Social Media dazu, dass unser Gehirn ständig mit Dopamin überflutet wird. Und das ist nicht alles:

  • Die ständige Präsenz in den sozialen Medien verstärkt oft unser Bedürfnis nach sozialer Bestätigung.
  • Die endlose Jagd nach Likes, Kommentaren und Anerkennung, sowie der ständige Vergleich mit dem scheinbar perfekten Leben anderer kann unsere Zufriedenheit und unser Selbstbild negativ beeinflussen.

Das Ergebnis? Ein Zustand der Lethargie, ein Gefühl der Erschöpfung, und der Eindruck nicht gut genug zu sein. Dies führt schnell zu einer Abwärtsspirale von Unzufriedenheit und Nichtstun.

Laut dem jährlichen Digital Report von We Are Social und Hootsuite verbringt jeder Internetnutzer weltweit durchschnittlich 2 Stunden und 23 Minuten täglich auf Social-Media-Plattformen. Gerade bei Privatpersonen, die Social Media nicht im Rahmen ihrer Arbeit nutzen, könnte zumindest ein Teil dieser Zeit dazu genutzt werden Aktivitäten nachzugehen, die einen echten Einfluss auf die individuelle Work-Life-Balance bieten.

Work-Life-Balance: Es geht ums Gleichgewicht

Das extreme Gegenbeispiel ist die sogenannte Hustle Culture, in der ständige Erreichbarkeit zur Norm geworden ist. Wer lange Arbeitszeiten hat, Überstunden schiebt und seinen Beruf mit dem Familienleben vereinbaren muss, hat zumindest unter der Woche kaum Zeit für sich. Am Wochenende werden dann oft Aufgaben erledigt, die unter der Woche unter den Tisch gefallen sind. Ganz besonders stark betroffen sind hier z.B. alleinerziehende Mütter.

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Ein dauerhaftes Stressgefühl kann entstehen, wenn wir den Eindruck haben, uns ständig zwischen verschiedenen Verpflichtungen hin- und herbewegen zu müssen, ohne wirkliche Pausen dazwischen zu haben.

Freizeit ist nicht nur dazu da, um sich zu erholen, sondern auch um das Leben zu genießen, sich mit Hobbys zu beschäftigen, soziale Kontakte zu pflegen oder einfach nur zu reflektieren. Wenn uns diese Zeit fehlt, verpassen wir es nicht nur, wichtige Erfahrungen zu machen und uns als Individuen weiterzuentwickeln, sondern riskieren auch, uns entfremdet und isoliert zu fühlen.

FIRE oder 9-to-5 Job: Wo passt Lembkes Theorie von der Freizeit hinein?

Die FIRE-Bewegung (Financial Independence, Retire Early) hat in den letzten Jahren immer mehr an Dynamik gewonnen. Viele, gerade junge Menschen sind davon fasziniert, so früh wie möglich in den Ruhestand zu gehen, um sich von den Fesseln ihres 9-to-5 Jobs zu befreien. Das Konzept klingt zwar verlockend, einige, die die finanzielle Unabhängigkeit erreicht haben berichten aber, dass ihnen plötzlich der Sinn im Alltag fehlt und sie gar nicht wissen, wie sie mit so viel Freizeit umgehen sollen.

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Die 9-to-5 Struktur bietet zwar nicht immer Flexibilität und kann monoton erscheinen, aber sie vermittelt immerhin eine gewisse Struktur im Alltag.

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Anstatt irgendeinem Ideal oder einer Bewegung hinterherzurennen, solltest du dich mit deinen eigenen Wünschen auseinandersetzen und darauf basierend auf ein für dich konformes Lebensmodell hinarbeiten.

Für einige mag das fast unbegrenzte Flexibilität sein, für andere ein Bürojob, vielleicht aber auch irgendetwas dazwischen, was sich langfristig, z.B. in einer Selbstständigkeit oder einem Teilzeitjob ausdrücken kann.

Warum dein 9-5-Job nicht dein Feind ist: Ein Umdenken.
Ich beschwerte mich ständig in Bezug auf meinen Job. Bis ich meine Einstellung änderte, und meine Karriere erlebte ein neues Hoch.

Wie bringst du bei viel Freizeit Struktur in deinen Alltags?

Gehörst du zu der glücklichen Gruppe an Menschen die mehr als 5 Stunden pro Tag für sich haben? Um nicht in den Sog des Nichtstuns zu geraten und negative Gedanken zu entwickeln ist es wichtig Struktur in deinen Alltag zu bringen.

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Je weniger du dabei auf deine eigene Selbstdisziplin angewiesen bist (die dich auch mal im Stich lassen kann), desto einfacher. So kannst du beispielsweise versuchen, mehr feste Termine und Verpflichtungen zu planen.
  • Versuche, Termine gleichmäßig unter der Woche zu verteilen. So wirst du gezwungen das Haus regelmäßig zu verlassen.
  • Versuche unter der Woche um die gleiche Uhrzeit aufzustehen und ins Bett zu gehen und mache dich morgens so fertig, als würdest du das Haus verlassen.
  • Plane Tapetenwechsel ein und begib dich unter Leute, auch wenn es nur für einen kurzen Spaziergang ist.
  • Probiere ein neues Hobby aus, bei dem du andere, Gleichgesinnte kennenlernst.
  • Engagiere dich in ehrenamtlichen Projekten oder Organisationen.
  • Bilde dich weiter und nutze Online-Plattformen wie Coursera oder Udemy, um neue Fähigkeiten zu erlernen oder bestehendes Wissen zu vertiefen.
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Dabei sind viele Kurse auf Coursera kostenlos und in mehreren Sprachen verfügbar.
  • Versuche bewusst auf negative Gedanken zu reagieren, indem du diese reflektierst oder dein Umfeld wechselst oder mit Freunden oder Familie sprichst, um Ablenkung zu bekommen.
  • Kontrolliere deine Social Media Nutzung, indem du dir fixe Zeiten setzt, Apps blockierst oder nur inspirierenden Accounts folgst, die dir einen wirklichen Mehrwert bieten.
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Was tun bei zu wenig Freizeit?

Gehörst du zu der Gruppe, die tagsüber kaum eine Minute zum Verschnaufen findet, fühlst dich ständig gestresst und reagierst womöglich gereizt und überfordert auf Anfragen aus deinem Umfeld?

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Die ständige Hektik und der Druck, alles schaffen zu müssen, kann belastend sein. Daher ist es wichtig, Wege zu finden, um mit diesem Stress umzugehen und gleichzeitig für dich selbst zu sorgen.
  • Setze tägliche Prioritäten (z.B. indem du diese auf einem Board oder in deinem Bulletjournal festhältst) und konzentriere dich allein auf diese - alles andere kann warten.
  • In stressigen Situationen hat dein Gehirn die Tendenz plötzlich alles negativ zu sehen und du steigerst dich leichter in Dinge hinein, denen objektiv gar keine allzu große Bedeutung zukommt. In solchen Stresssituationen kann es helfen kurz aufzustehen, den Raum zu wechseln oder kurz das Haus zu verlassen, um dich abzulenken.
  • Begrenze Benachrichtigungen wie E-Mails oder Nachrichten oder lege festgelegte offline-Zeiten fest, um aufnahmefähiger und effizienter zu arbeiten. So kannst du Kollegen z.B. sagen, dass sie dich in dringenden Fällen anrufen sollen und so unerwünschte Unterbrechungen per Nachricht reduzieren.
Das kannst du tun, wenn du dich überarbeitet fühlst
Gehst du in Arbeit unter, schläfst schlecht und nimmst deine nicht erledigten Aufgaben mit nach Hause? Dann ist es Zeit etwas zu ändern!
  • Es ist okay, nicht alles perfekt zu machen. Akzeptiere, dass du nicht alles auf einmal erledigen kannst und dass es in Ordnung ist, um Hilfe zu bitten.
  • Achtsamkeitsmeditation, sei es für nur 5 Minuten täglich, kann dir dabei helfen, deine Gedanken in den Griff zu kriegen und herausfordernden Situationen mit mehr Ruhe entgegenzutreten.
  • Sprich mit Kollegen, Freunden oder der Familie über deinen Stress (natürlich ohne dabei zu übertreiben). Oft können sie Unterstützung bieten oder Lösungen vorschlagen, an die du vielleicht nicht gedacht hast.
Mehr Lebensqualität trotz Karriere
Wer Karriere machen will, muss viel arbeiten. Das trifft in vielen Fällen immer noch zu. Das heißt aber nicht, das deine Lebensqualität darunter leiden muss.
  • Versuche tagsüber Momente zu finden, in denen du regelmäßig etwas tust, was dir guttut und Freude bringt (z.B. frühmorgens, während der Mittagspause oder abends vor dem Einschlafen). Achte darauf, dass du diese Zeit wirklich nur im Notfall für etwas anderes hergibst.
  • Überlege dir, welche Möglichkeiten du sonst noch hast um dir mehr freie Zeit erlauben zu können. Manchmal helfen Kurzurlaube oder vielleicht kommt sogar ein Jobwechsel in Betracht. Vielleicht kannst du ab und an einen HomeOffice-Tag einlegen und die gewonnene Fahrtzeit für dich nutzen.

Fazit: Die richtige Dosis macht's

Egal ob du ein Workaholic bist, der ständig Überstunden macht, oder dich schuldig fühlst wieder einmal stundenlang auf Social Media unterwegs gewesen zu sein. Wenn du mit deiner aktuellen Situation unzufrieden bist, liegt die Lösung womöglich in der richtigen Dosis Freizeit. Dabei solltest du die 2-5 Stunden Regel nicht zu wortwörtlich nehmen, denn womöglich sind zwei Stunden Freizeit am Tag für dich einfach nicht drin. Allerdings ist sie ist ein guter Ausgangspunkt, um über deine Prioritäten nachzudenken und bewusste Entscheidungen über deine Zeit zu treffen.

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